Warum ist der Schutz von Laubgehölzen wichtig?
Laubgehölze spielen eine essenzielle Rolle im Stadt- und Landschaftsbild. Sie bieten nicht nur Lebensraum für zahlreiche Tierarten, sondern verbessern auch das Mikroklima, indem sie CO₂ speichern, Sauerstoff produzieren und die Luftqualität verbessern. Leider sind diese wertvollen Gehölze vielfältigen Gefahren ausgesetzt, insbesondere durch den zunehmenden Straßenverkehr. In diesem Artikel werden wir uns eingehend mit den Ursachen von Schäden an Laubgehölzen sowie den besten Methoden zu deren Behandlung befassen.
Inhaltsverzeichnis
Mechanische Schäden an Laubgehölzen
Laubgehölze sind empfindliche Ökosystembestandteile, die durch verschiedene äußere Einflüsse geschädigt werden können. Besonders mechanische Schäden haben tiefgreifende Auswirkungen auf ihre Gesundheit und Stabilität. Zu den häufigsten mechanischen Schäden gehören:
1. Anfahrschäden
Mit zunehmendem Verkehrsaufkommen steigt auch die Zahl der Anfahrschäden an Bäumen, insbesondere an Alleebäumen entlang von Straßen. Diese Schäden entstehen durch Kollisionen von Fahrzeugen mit Baumstämmen und haben oft schwerwiegende Folgen:
Tiefe Rindenverletzungen: Die äußere Schutzschicht wird beschädigt, was den Baum für Pilze, Bakterien und andere Krankheitserreger anfällig macht.
Beschädigung des Splintholzes: Bei schweren Unfällen kann die Wunde bis in das wasserleitende Gewebe des Baumes vordringen, was die Wasser- und Nährstoffversorgung beeinträchtigt.
Strukturelle Schwächung: Durch großflächige Wunden wird die Stabilität des Baumes langfristig reduziert, wodurch das Risiko einer Fällung zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit steigt.
Sekundärschäden durch Fäulnis: Offene Wunden bieten Eintrittspunkte für holzzersetzende Pilze und Fäulniserreger, die das Holz schwächen und zur Zersetzung führen.
2. Rückeschäden
Beim Transport von Holz aus Wäldern, insbesondere durch schwere Maschinen, entstehen sogenannte Rückeschäden. Diese Schäden treten meist durch unvorsichtige Fahrmanöver oder den direkten Kontakt mit Holzerntefahrzeugen auf und umfassen:
Bodenverdichtung: Das hohe Gewicht der Maschinen führt zu verdichtetem Boden, wodurch der Wasser- und Luftaustausch behindert wird und das Wurzelwachstum eingeschränkt wird.
Verletzungen der Rinde und des Kambiums: Durch den Kontakt mit Fahrzeugen oder geschlepptem Holz wird die schützende Rindenschicht abgerieben oder abgeschält, was die Regenerationsfähigkeit des Baumes stark einschränkt.
Folgeschäden durch Pilzbefall: Offene Wunden ermöglichen das Eindringen von Pilzsporen, die zu Fäulnisprozessen und einer Schwächung des Holzkörpers führen.
3. Rindenschäden durch Bauarbeiten
Bauprojekte in der Nähe von Bäumen führen häufig zu erheblichen Rindenschäden. Diese können durch mechanische Einwirkungen wie das Anfahren mit Baugeräten oder unsachgemäße Erdarbeiten verursacht werden. Die Hauptprobleme hierbei sind:
Freigelegte Wurzeln: Durch unsachgemäßes Graben werden Wurzeln beschädigt oder komplett durchtrennt, was die Standfestigkeit des Baumes gefährdet.
Mechanische Verletzungen am Stamm: Kratz- und Schürfwunden durch Baumaschinen öffnen Eintrittsstellen für Infektionen und beeinträchtigen die Nährstoffleitung.
Bodenversiegelung: Durch die Bebauung oder das Befahren von Flächen wird die Bodenstruktur verändert, was die Wasseraufnahme verringert und die Lebensfähigkeit des Baumes reduziert.

Folgen mechanischer Schäden für die Baumgesundheit
Mechanische Schäden haben nicht nur kurzfristige Auswirkungen, sondern auch langfristige Folgen für die Baumgesundheit und die gesamte Baumstruktur:
Erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten: Offene Wunden bieten Eintrittspunkte für Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze.
Verminderte Vitalität: Durch Schäden am Kambium kann der Baum weniger Wasser und Nährstoffe transportieren, was sein Wachstum schwächt.
Strukturelle Instabilität: Schwer beschädigte Bäume verlieren an Stabilität und können eine Gefahr für Menschen und Gebäude darstellen.
Vermehrte Baumfällungen: Bäume mit schwerwiegenden Schäden müssen oft frühzeitig gefällt werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

Entwicklung der Baumpflege: Von der Baumchirurgie zur biologischen Wundheilung
Früher wurden mechanische Verletzungen an Bäumen, insbesondere Stammwunden nach Anfahrschäden, durch sogenannte Baumchirurgie behandelt. Dabei wurden die Wunden spitzelliptisch ausgeformt, die Wundflächen mit Splintmessern oder Fräsen geglättet und anschließend mit Wundverschlussmitteln bestrichen. Diese Methode beruhte auf der Annahme, dass ein schneller und glatter Wundverschluss das Eindringen von Schadorganismen verhindert und den Baum vor Holzfäule schützt.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Warum Baumchirurgie überholt ist
Seit den 1980er-Jahren wurde die Effektivität der Baumchirurgie zunehmend in Frage gestellt. Forschungen zur Kompartimentierung – also der natürlichen Abschottungsreaktion des Baumes – zeigten, dass Bäume in der Lage sind, verletzte Bereiche eigenständig zu isolieren und abzuschotten. Folgende wissenschaftliche Erkenntnisse führten zur Abkehr von der baumchirurgischen Wundbehandlung:
Kompartimentierung durch Zellreaktionen: Bäume bilden Barrieren innerhalb des Holzes, die das Eindringen von Krankheitserregern begrenzen.
Ineffektivität von Holzschutzmitteln: Studien ergaben, dass Holzschutzmittel und Wundverschlussmittel oft nicht vor Fäulnis schützen und sogar ein optimales Milieu für Krankheitserreger bieten.
Nachteilige Effekte der Baumchirurgie: Das Ausschneiden von Wunden vergrößert den verletzten Bereich und kann den Baum langfristig schwächen.
Hinweis: Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde vielerorts auf invasive Wundbehandlungen verzichtet und neue Methoden entwickelt, die die natürliche Wundheilung des Baumes unterstützen. |
Die Bedeutung des Flächenkallus für die Wundheilung
Ein zentraler Fortschritt in der Baumpflege war die Entdeckung des sogenannten Flächenkallus. Dieser entsteht, wenn nach einer Rindenverletzung nicht nur am Rand der Wunde (wie bei einer Überwallung), sondern direkt auf der geschädigten Fläche neues Gewebe wächst. Der Flächenkallus ist botanisch seit über 200 Jahren bekannt, wurde jedoch lange Zeit unterschätzt.
Vorteile des Flächenkallus:
Direkte Verbindung mit dem Holz: Im Gegensatz zur Wundüberwallung wächst der Flächenkallus direkt mit dem darunterliegenden Holz zusammen.
Kein Auftreten von Fäule oder Verfärbung: Das neu gebildete Gewebe bleibt stabil und schützt den Baum vor Holzzersetzung.
Effektivere Wundheilung: Der Baum kann großflächige Verletzungen schneller schließen.

Praxisnahe Untersuchungen zur Wundheilung
Im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekts untersuchte die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Zusammenarbeit mit dem Institut für Baumpflege und der Universität Hamburg über 600 künstlich angelegte Wunden bei 15 Laubbaumarten sowie 240 Anfahrschäden an Alleebäumen. Die Untersuchungen zeigten:
Bäume aller getesteten Arten können Flächenkallus bilden.
Eine lichtundurchlässige Abdeckung der Wunde beschleunigt die Kallusbildung.
Offene Wunden ohne Schutz sind anfälliger für Infektionen und verzögerte Heilung.
Praxisempfehlungen zur optimalen Behandlung von Anfahrschäden an Laubgehölzen: Bäume retten nach Unfällen: Experten-Tipps zur schnellen Wundheilung
Basierend auf umfangreichen Untersuchungen an 15 verschiedenen Laubbaumarten – sowohl an künstlich erzeugten Wunden als auch unter realen Praxisbedingungen – lassen sich folgende essenzielle Maßnahmen für eine erfolgreiche Behandlung von Anfahrschäden ableiten:
Sofortige Maßnahmen bei frischen Anfahrschäden
✔ Schnellstmögliche Behandlung: Frische Anfahrschäden sollten unverzüglich versorgt werden, da eine verzögerte Behandlung die Regenerationsfähigkeit des Baumes
verringert.
✔ Zeitfenster beachten: Schäden, die älter als zwei Wochen sind, sollten unbehandelt bleiben, da eine Flächenkallus-Bildung nach dieser Zeit nicht mehr einsetzt.
✔ Wundbefeuchtung: Vor jeder Behandlung die Wundfläche großzügig mit Leitungswasser einsprühen, um Trockenstress der noch lebenden Zellen zu minimieren.
Umgang mit der Wundfläche
✔ Keine mechanische Reinigung: Verschmutzungen sollten nicht entfernt werden, da dies zu zusätzlichen Zellschäden führen kann.
✔ Erhalt gelöster Rindenteile: Noch verbundene Rindenstücke sollten vorsichtig mit Aluminiumnägeln am Stamm fixiert werden, um ein mögliches Wiederanwachsen zu fördern.
✔ Entfernung loser Holzsplitter: Holzfragmente, die ein dichtes Anliegen der Abdeckung verhindern, sollten vorsichtig entfernt werden.
✔ Verzicht auf Wundnachbearbeitung: Nachträgliches Ausschneiden oder Glätten der Wundränder muss unterbleiben, da dies die Wundheilung behindert und die Wundfläche vergrößert.
Einsatz von Schutzmaßnahmen
✔ Flächenabdeckung mit lichtundurchlässiger Kunststofffolie:
Frische Wunden sollten mindestens 3–5 cm über den Wundrand hinaus mit einer lichtundurchlässigen Folie abgedeckt werden.
Die Befestigung erfolgt mittels Heftklammern auf der umliegenden Borke.
Falls mehrere kleine Wunden vorhanden sind, kann eine größere Folie genutzt werden, um alle betroffenen Bereiche gemeinsam zu schützen.
Dauer der Abdeckung: Die Folie sollte für ca. ein Jahr auf der Wunde verbleiben, da nach diesem Zeitraum keine weiteren positiven Effekte zu erwarten sind. Danach kann sie vorsichtig entfernt werden. |
Fazit: Effektive Maßnahmen für nachhaltige Baumpflege
Mit diesen evidenzbasierten Empfehlungen lassen sich Anfahrschäden an Bäumen effektiv behandeln, das Risiko von Fäulnis minimieren und die natürliche Regeneration fördern. Eine fachgerechte und schnelle Wundversorgung trägt entscheidend dazu bei, die Lebensdauer geschädigter Laubbäume zu verlängern und ihre Stabilität zu sichern.
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